Journal of the Western Mystery Tradition
No. 12, Vol. 2. Vernal Equinox 2007
 

Appendix III: Excerpts from Das Büchlein der Venus (“Libellus Veneris Nigro Sacer”): eine magische Handschrift des 16. Jhrs, Jörg M. Meier’s 1990 German translation and analysis of the Consecrated Little Book of Black Venus.


VI.G. Motive für eine Fälschung

[Motives for someone to write the Consecrated Little Book of Black Venus using Dee’s name, pp 135-136.]

Wie die bisherige Untersuchung zeigt, spricht die Mehrzahl der Fakten gegen Dee als Verfasser des Libellus Veneris. Trotzdem bleiben viele Fragen weiterhin offen. Es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, daß der Libellus Veneris, wenn, dann einen höchst ungewöhnlichen Typ der Fälschung darstellt. Die älteste erhaltene Handschrift (W),[1] ist vielleicht noch zu Dees Lebzeiten verfaßt worden, und einige kleinere Details, wie das Datum und die Zwecke, denen die Geister dienlich sein sollen, scheinen sogar recht gut zur Person Dees zu passen - so gut, daß es den Eindruck erweckt, als habe der Verfasser ihn wenigstens flüchtig gekannt.

Von der Vermutung ausgehend, daß es sich bei unserem Text um eine Fälschung handeln könnte, muß im Folgenden einigen Fragen besondere Beachtung geschenkt werden: Eine Fälschung knüpft sich selten grundlos an einen Namen an und es ist daher zu fragen, ob Dee schon vor der Veröffentlichung des größeren Teils der "Spiritual Diaries" im Jahre 1659 einen Ruf besaß, der einen Fälscher dazu hätte veranlassen können, ausgerechnet ihn als Verfasser des Libellus Veneris zu benennen. Dieser Frage nachzugehen ist umso notwendiger, als einiges darauf hindeutet, daß der Ursprung einer solchen Fälschung nicht in England, sondern auf dem Kontinent, genauer im deutschsprachigen Raum, zu suchen ist (vgl. oben Punkt 3). Dort aber standen bekanntlieh genügend andere berühmte und berüchtigte Namen (wie z.B. Faust) zur Verfügung, derer ein Fälscher sich hätte bedienen können. Dem Ruf Dees auf dem Kontinent wird daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein. Auch verdienen einige Bemerkungen in der Einleitung des Libellus Veneris hier stärkere Beachtung. Dort sagt "John Dee" (S.24.26f) über die allen Geschöpfen eingeprägten Charactere, daß mittels dieser "sogar die guten Engel angerufen werden können, wie ich an anderer Stelle gelehrt und gezeigt habe". Aus dem, was oben kurz zu den "Spiritual Diaries" ausgeführt wurde, wird klar, daß Dee tatsächlich "gute Engel" anrief, aber dies geschah in großem Umfang erst nach 1581 und, wichtiger noch, es wurde von ihm erst von diesem Zeitpunkt an aufgezeichnet. Die ausformulierten Invokationen (Vgl. Anhang A, Text 3a,b) datieren sogar erst in das Jahr 1584 oder 1585. Es wird also weiter zu tragen sein, ob Dees "Actions with Spirits" vor ihrer Veröffentlichung durch Casaubon und noch zu Lebzeiten Dees in größerem Maße bekannt wurden und ob dies auch auf dem Kontinent der Fall war. Ehe ich ausführlicher auf diesen Punkt eingehe, sollen kurz die wichtigsten bekannten Fakten über den Ruf, den Dee seiner Heimat genoß, in Erinnerung gebracht werden.

(After this, Meier spends several pages looking at Dee’s life in England then on the continent, to lead to his conclusion below: that Tuba Veneris was likely not written by Dee or in England, but originated on the European continent, most likely in a German-speaking country. Meier argues that in Europe, from 1583 – 1589, especially in Bohemia, exactly the right kind of atmosphere prevailed for this sort of pseudepigraphy to be written.)

VI. 7 Schlußfolgerungen
[Conclusions: pp 144-145]

Diese ausgedehnte Darstellung der Auswirkungen der Reise Dees und Kellys auf den Kontinent und ihres Aufenthalts in Böhmen war notwendig, da sie uns den zeitlichen Rahmen für die Entstehung des Libellus Veneris liefert. Die angeführten Zeugnisse belegen, daß Dees "Actions with Spirits" auf dem Kontinent für großes Aufsehen sorgten. Sie belegen ferner, daß diese Gerüchte zum Inhalt hatten, daß Dee vorgab "mittels magischer Charactere" die Erscheinung von "guten Engeln" bewirken zu können und mit diesen in Verbindung zu stehen (was nicht ganz falsch war) und daß ihm gleichfalls vorgeworfen wurde ein "Nekromant" zu sein. Daß Dee diesen Vorwurf empört von sich wieß ist ebenso aufschlußreich wie der Vorwurf selbst, belegt es doch den unguten Geschmack, den das Wort "Nekromant" für Dee besaß. Daß seine "Actions with Spirits" so gedeutet werden konnten, ja zwangsläufig von Uneingeweihten so gedeutet werden mußten, ist naheliegend. Daß diese, zumindest halbinformierten, Gerüchte aber zu einem bestimmten Zeitpunkt, während einer begrenzten Zahl von Jahren (nach 1589 beherrschten Kellys alchimistische Kunststücke die Szene) in Prag kursierten, und zwar zuerst unter einer großen Zahl von gebildeten Personen, Höflingen, Klerikern und Schreibern am Kaiserhof und in dessen Umkreis, bildet genau den Rahmen, in dem ein Traktat von der Art des Libellus Veneris sehr wohl entstanden sein könnte.

Die wesentlichen Argumente gegen Dees Verfasserschaft aber liefern die autobiographischen Aufzeichnungen Dees selbst, vor allem sein Verständnis seiner "Actions with Spirits" (die Peter
FRENCH so treffend als "religious magic" gekennzeichnet hat), das, zumindest meiner Überzeugung nach, unvereinbar mit einer Magie in der Art des Libellus Veneris ist; sowie, zweitens, die zahlreichen kleinen Inkonsistenzen des Textes, die im Widerspruch zu dem Material in Dees Aufzeichnungen stehen, wie Datums- und Ortsangabe. Weitere wichtige Indizien liefern der besondere Stil der magischen Praktiken Dees, der ganz geprägt ist von den zahlreichen und devoten Gebeten um die Erscheinung der Engel, die besondere Stellung, die der Engel Anael in Dees Kosmologie einnahm - und die mit keinem Wort im Libellus Veneris erwähnt wird, wie auch der Umstand, daß Dee selbst den Text nirgends erwähnt. Alle Einzelargumente für sich allein genommen vermögen zwar keinen endgültigen Beweis zu liefern, in ihrer Gesamtheit aber sprechen sie m.E. eindeutig gegen Dee als den Verfasser des Libellus Veneris.

Die Untersuchung seines Aufenthalts auf dem Kontinent von 1583 - 1589 hat gezeigt, daß dort - für eine begrenzte Zeitspanne - genau die Atmosphäre herrschte, in der ein Pseudepigraph von der Art des Libellus Veneris enstanden sein könnte. Es wurde sicher nicht verfaßt, um Dee zu schaden - die kirchlichen Autoritaten waren, wie oben gezeigt, besser über seine Aktivitäten informiert als der Verfasser des Libellus Veneris. Auch standen die Protektion Rosenbergs und Kaiser Rudolfs einer Denunziation entgegen, ganz abgesehen von dem Umstand, daß sich Anklagen wegen Zauberei selten auf aufwendige Fälschungen zu stützen pflegten, einfache Anzeigen - wie diejenige, die Dee 1555 auf bloßen Verdacht hin ins Gefängnis brachte (s.o.) - waren hierzu völlig ausreichend und oft genug Überhaupt der einzige Grund einer Verhaftung.

Wahrscheinlicher ist es, daß, wie in so vielen anderen, so auch in diesem Fall die Absicht, mit dem Namen des "großen Magiers" John Dee Gewinn zu machen, bei der Entstehung des Textes Pate gestanden haben dürfte. Die stimmigen Details deuten indes auf einen gewissen Grad an korrekten Informationen über Dee hinwenn diese vielleicht auch nicht auf direkter persönlicher Bekanntschaft des Verfassers mit Dee basieren, so lassen sie doch auf eine gewisse Vertrautheit mit den oben skizzierten Gerüchten schließen und setzen diese voraus. Ich möchte nicht soweit gehen, zu behaupten, daß der Libellus Veneris nur in den sechs Jahren von Dees Aufenthalt auf dem Kontinent entstanden sein kann, doch spricht vieles dafür, daß der Eindruck der Gerüchte über den "Nekromanten" und "Beschworer von Engeln" oder doch zumindest die Erinnerung an dieselben dem Verfasser des Libellus Veneris (noch) sehr gegenwärtig war. Von dem vorhandenen Material ausgehend, scheint mir diese Hypothese der Wahrheit am nächsten zukommen.

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Notes

[1] W=the Warburg manuscript version

 
 
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